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Ferrero Deutschland geht gegen die Halter von Domainnamen, welche die
Bezeichnung gnutella enthalten mit der Behauptung, deren
Ähnlichkeit zu Nutella2 würde diese Marke beeinträchtigen,
gerichtlich vor, wobei bereits eine einstweilige Verfügung erwirkt wurde.
Die Anwälte des Süsswarenkonzerns verwiesen dabei auch auf laufende
Ermittlungen des bayrischen Landeskriminalamtes und bezeichneten die Nutzer des
Filesharingdienstes gnutella als "virtuelles Konglomerat aus
Urheberrechtspiraten und Kinderpornofreunden."3
Lange Nächte vor dem Computer. Und dann ein Glas Milch, Weissbrot und eben Nutella. Dann geht's wieder für ein paar Stunden. Oder ein Frühstück zu zweit, frisch verliebt und wenn mich etwas von dem neuen, bitteren Beigeschmack ablenken kann, dann ist es nur ihr Lachen. Ob sie Nusspli4 mag?
Dass dem bayrischen Landeskriminalamt einmal mehr die Lederhosen näher sind als der Laptop ist eine Sache; auf das offenbar noch immer fehlende Verständnis mancher Behörden oder Richter für Funktionsweise und Mechanismen neuer Medien kann hier nicht näher eingegangen werden5. Dass aber die Rechtsvertreter von Ferrero glauben, schon die Tatsache blosser Ermittlungen in den Status einer rechtskräftigen Entscheidung erheben zu dürfen, ist etwas anderes. Und dass dann auch noch Millionen von Nutzern - die lediglich jene Rechte ausüben, die ihnen in europäischen Ländern etwa durch den § 53 deutsches UrhG, die §§ 41 ff österreichisches UrhG oder die Artikel 65 ff des italienischen Diritto d'Autore sowie international durch das in der Berner Konvention anerkannte Principle of Fair Use garantiert werden - als "virtuelles Konglomerat aus Urheberrechtspiraten und Kinderpornofreunden" diffamiert werden, ist echte Rufschädigung.
Eine kurze Recherche bei Sourceforge6, der Anlaufstelle für freie Software überhaupt, ergibt alleine acht Projekte, die Software für das gnutella-Protokoll bearbeiten. Die Entwicklung derartiger Programme ist eine Aufgabe, die grosses technisches Verständnis und organisatorisches Geschick beweist. Eine Tätigkeit, auf die man vor den unsachlichen und unzutreffenden Aussagen der Brotaufstrich-Anwälte noch voller Stolz in Bewerbungsschreiben und Lebenslauf verweisen durfte. Nun könnten sie, dank jener ungerechtfertigten Angriffe, von einem potentiellen Arbeitgeber als ein Eingeständnis kriminellen Handelns missverstanden werden.
Ausserdem ist dieses Pauschal-Vorurteil auch geeignet, das wirtschaftliche Fortkommen von gnutella als Filesharing-Dienst zu behindern. Denn wie der Napster/Bertelsmann-Deal zeigt, sind solche Services im Prinzip bestens geeignet, Investitionen anzuziehen. Zwar ist das gnutella-Projekt definitiv nicht kommerziell orientiert, handelt also ohne Gewinnerzielungsabsicht und die echte Verfolgung von Marktinteressen scheint im Gegensatz zu Napster, aufgrund der viel dezentraleren Struktur, kaum möglich (was, nebenbei bemerkt, auch in allfälligen markenrechtlichen Erwägungen eines Gerichts Berücksichtigung finden sollte - dazu jedoch später). Doch auch oder gerade non-profit Organisationen können z.B. durch Bannerwerbung oft sehr effektiv gerade jene Einnahmen erzielen, die ihr Tätigsein erleichtern oder erst ermöglichen. Bekehrte "Piraten" lassen sich ja noch vermarkten, aber Kinderschänder?
Dass der Piraterievorwurf im Lichte europäischen Urheberrechts kaum haltbar ist7, wurde bereits oben erwähnt. Auch dass momentan die Einführung einer Urheberrechtsabgabe auf digitale Datenträger diskutiert wird, kann daran nichts ändern - die Anfertigung privater Kopien und deren Weitergabe im Freundeskreis ist nach geltendem Recht legal und gerade die Diskussion um eine solche Abgabe zeigt, dass die Verhinderung von Filesharing als solchem - das von Fachleuten im Übrigen als die Zukunft der Informationstechnologie gesehen wird - nicht politisches Ziel sein kann und darf.
Eine gesonderte Anmerkung sei allerdings noch zu den "Kinderpornofreunden" gestattet. Fragwürdige und abzulehnende Inhalte wie Nazipropaganda, Terroranleitungen oder eben Kinderpornographie sind weder ein Problem von gnutella im Speziellen, noch des Internet im Allgemeinen. Sie sind ein Problem unsererer Gesellschaft. Ein Vergleich: Bekanntermassen ist es technisch möglich, aus dem Blut geschlachteter Rinder und Schweine ein Proteinkonzentrat zu erzeugen. Dieses könnte wiederum in der Schokoladenherstellung genutzt werden8, und es darf angenommen werden, dass die Verwendung eines solchen Abfallproduktes wesentlich kostengünstiger wäre als die von reinem Milcheiweiss oder Kakaomasse. Wäre also die Aussage Nuttella wird aus Rinderblut gemacht zulässig? Natürlich nicht9. Die Firma Ferrero würde sich dadurch genauso angegriffen fühlen, wie ich und jeder andere unschuldige gnutella-user, der als Kinderpornofreund verunglimpft wird. Genau das ist es aber, was die Anwälte von Ferrero tun.
Inhalte werden durch Medien übermittelt. Das Internet bietet durch seine Offenheit, d.h. den weltweiten, kostengünstiger Zugang zu Informationen und die gleichzeitig mögliche Anonymität völlig neue Möglichkeiten gegenüber herkömmlichen Medien. Im Jugoslawienkrieg war der dortigen Bevölkerung zum Teil nur über das Internet der Zugang zu objektiver Information möglich und die Weltöffentlichkeit konnte auf demselben Weg Zeuge der wahren Geschehnisse werden. Ähnliches gilt für alle Kriegsschauplätze oder Diktaturen dieser Welt.
Die Schattenseite dieser positiven Entwicklung ist, dass die Möglichkeit der Nutzung dieser offenen und anonymen Informationskanäle prinzipiell auch dunklen Subjekten offensteht. Nur ein paar objektive Feststellungen: Die Firma Ferrero profitiert von der Offenheit des Internet (hat eine website10, auf der sie Werbung betreibt) und nützt gleichzeitig dessen Anonymität (auf der website ist kein Impressum zu finden). Nun ist dieses Unternehmen aber keine unterdrückte Minderheit, keine unterlegene Partei in einem blutigen Konflikt, kein Opfer ethnischer Säuberungen sondern der drittgrösste Süsswarenhersteller der Welt - wodurch also lässt sich die Anonymität in diesem Fall rechtfertigen, welche Repressalien hat der Konzern zu fürchten? Und doch bedient sich Ferrero derselben Mechanismen für seine Werbung, wie Kinderschänder für ihren Schweinekram - Der verlockenden Kombination aus Offenheit und Anonymität ...
Und, liebe ferrero.de-maintainer: Nachdem Ihr schon in Kontakt mit einer Kanzlei zu stehen scheint, die sich durch grosses Verständnis für neue Informationstechnologien auzuzeichnen glaubt - fragt doch mal Eure rechtsfreundlichen Berater, wie das mit der medienrechtlichen Impressumspflicht im Internet so aussieht11. Bei deutschen Betreibern einer deutschen Seite könnte ein Verstoss gegen deutsches Presserecht nämlich ausnahmsweise mal durchsetzbar sein. Und das wäre doch peinlich, oder?
Aber zurück zum Kernproblem: Eine Verwechslungsfähigkeit der Nougatcreme Nutella, einem guteingeführten und überaus erfolgreichem Markenprodukt mit dem nichtkommerziellen Filesharingdienst gnutella kann doch wohl nicht ernsthaft behauptet werden. Und wie heisst es in einem Schreiben der Anwälte weiter "wird die Gefahr einer Verwässererung der Marke Nutella befürchtet"? Bei allem Respekt: Der blossen Verwässerung durch ähnlich klingende Marken (zudem in völlig anderen Branchen) hat doch wohl die unternehmenseigene Werbeabteilung vorzubeugen und nicht Gerichte in Deutschland oder anderswo. Schon mal was von Branding gehört? RedHat12 ist darin sehr gut. Und dann vergleicht mal redhead.com (Achtung: Nur für Erwachsene!)
Doch ich will mich nicht zu sehr in Polemiken verlieren, mögen sie im vorliegenden Fall auch noch so angebracht erscheinen. Selbst wenn man den § 10 des dt. MarkenG13 , der notorisch bekannten Marken besonderen Schutz gewährt, indem er solche Marken die bereits allgemein im Inland bekannten ähneln, von vorne herein von einer Eintragung ausschliesst, als Masstab für die Rechte, den Domainnamen gnutella zu führen in Erwägung ziehen will, steht das Begehren von Ferrero auf eher wackligen Beinen: Denn dieser § 10 verweist für die entscheidenden Beurteilungskriterien wiederum auf § 9 Abs. 1, Z 1-3, greift also nur dann, wenn zusätzlich zumindest eine der in den Ziffern 1-3 geforderten Vorausetzungen erfüllt ist. Ziffer 1 verlanget Identität der Marken und Waren, Ziffer 2 lässt unter der Voraussetzung der Verwechslungsfähigkeit insbesondere auch der angebotenen Waren oder Dienstleistung (Ähnlichkeit/Verwechslungsfähigkeit der Marken alleine reicht daher nicht hin) schon eine blosse Ähnlichkeit genügen, um den Markeninhaber mit dem älteren Anspruch einen Löschungsanspruch gegenüber dem Gegner zuzugestehen. Dass weder Identität noch Verwechslungsfähigkeit im vorliegenden Fall gegeben sind, ist evident und wurde bereits weiter oben erörtert. So bleibt im Ergebnis nur die Ziffer 3, welche folgende Anforderungen stellt:
Von einem Ausnutzen einer allenfalls vorhandenen Ähnlichkeit zur Marke Nutella kann nun im Fall gnutella wohl kaum gesprochen werden. Bei gnutella handelt es sich nicht um ein Unternehmen, vielmehr um ein offenes Datenübertragungsprotokoll mit dem besonderen Zweck des dezentralen Filesharings. Dass Internet-Protokolle Standards für Services (Dienste), sprich: Arten der Datenübertragung sind, sollte den Laien nicht dazu verleiten, diese mit Dienstleistungen im wirtschaftlichen Sinne zu verwechseln. Jene Entwickler, Programmierer und Projektgruppen, die an der Weiterentwicklung dieses Protokolls freiwillig und unbezahlt arbeiten, handeln nichtkommerziell und uneigennützig. Sie treten nicht als Marktteilnehmer auf. Schon von daher ist also fraglich ob ein Ausnützen i.S. des MarkenG überhaupt denkbar ist, wenn domains schlicht nach einem verwendeten Datenübertragungsprotokoll benannt werden. Weiters ist die zunehmende Beliebtheit, d.h. immer häufigere Verwendung dieses Datenübertragungsprotokolls wohl kaum auf die Namensgebung zurückzuführen. Ihr Grund liegt vielmehr in dem Boom und dem Medieninteresse, die durch Napster losgetreten wurden und in der weiteren Folge der Kommerzialisierung von Napster durch Bertelsmann, womit sich gnutella als nichtkommerzielle und bis dato technisch ausgereifteste Alternative darstellte.
Noch weniger kann jedoch der offenbar von den Nutella-Anwälten behauptete Vorwurf der Beeinträchtigung der Marke Nutella greifen, denn selbst wenn die Ermittlungen des bayrischen LKA das Ergebnis brächten, dass unter den Millionen von gnutella-Nutzern einige wenige illegale Inhalte austauschten, ja selbst dann wenn es zu einer Verurteilung käme, so bliebe doch die Mehrzahl dieser Nutzer, so wie die Mehrzahl der Internetnutzer: Bürger, die schlicht Ihre Rechte ausüben. Diese Rechte auf freie Werknutzung, private Kopien, Fair Use etc. können im Ergebnis als Ausdruck der sogar verfassungsmässig geschützten Kommunikationsfreiheit14 gesehen werden. Auch hier kann also an der Bennennung eines Datenübertragungsprotokolls nichts unlauteres gesehen werden, liegt doch dessen Unabhängikeit vom Inhalt der übertragenen Daten geradezu in seiner Natur.
Und nehmen wir einmal an, bei der Benennung des gnutella-protokolls spielte sehr wohl die Marke Nutella eine Rolle. Weil die Entwickler, die daran arbeiteten es gerne essen ( - noch immer?). Eine Namensgebung aus Zuneigung, Respekt und Dankbarkeit, für jenen Energieschub, der einen lange Nächte durchstehen lässt, nichts Unlauteres. Schon mal was von brucespringsteen.com gehört15?
Liebe Marion.Ernst@ferrero.de, Lieber Thomas.Koenig@nutella.de: Ich gehe davon aus, dass Sie etwas von Marketing verstehen. Und nachdem Sie ja auch mit der österreichischen Rechtsordnung seit kinder.at (Nur mal so am Rande: Wessen Idee war das? Und was wäre als nächstes gekommen? Klagen gegen alle Eltern die ihre G'schroppn Kinder nennen?) vertraut sein dürften, hier noch ein weiteres Beispiel vom kleinen Nachbar: Die Erste Allgemeine Versicherungs AG/EA Generali erwägte vor einigen Jahren eine Klage gegen die Rock- und Kabarettband Erste Allgemeine Verunsicherung - aus ganz ähnlichen Motiven, die Sie heute offenbar zum Vorgehen gegen gnutella und andere bewegen. Da die Erfolgsaussichten jedoch offenbar als zu gering eingeschätzt wurden, obwohl die Band den Namen nach eigenen Angaben absichtlich so gewählt hatte "dass sich die Versicherungstypen aufregen"16 dachte man nach, anstatt zu klagen. Und während die Versicherung nachdachte, wurde die Band immer erfolgreicher. Und dann ging ersterer ein Licht auf: Sie trat 1987 als Hauptsponsor der legendären und binnen kürzester Zeit ausverkauften Märchenprinz-Tournee auf17.
Denken auch Sie nach - Investieren Sie doch jenen Betrag, den ihre Rechtsberater für die Aktionen gegen gnutella & Co. bisher verrechnet haben, in eine Bannerwerbung oder eine änliche Kooperation mit dem gnutella-Projekt. Ich wette mit Ihnen um einen Becher Nusspli, dass das mehr bringt ...
1 "http://www.fsf.org/copyleft/fdl.html"
2Nutella ist ein eingetragener Markename der Firma Ferrero.
3 "http://www.heise.de/newsticker/data/sha-27.02.01-001/"
4 "http://www.zentis.com/brotaufstriche/suessecremes/30nusspli.html"
5Vgl.
dazu z.B.:
"http://www.jura.uni-sb.de/jurpc/rechtspr/19980017.htm",
"http://www.heise.de/ct/98/12/016/",
"http://www.hausarbeiten.de/archiv/informatik/info-kipo/info-kipo.shtml".
7Einführend zu dieser Thematik z.B.: "http://www.jurpc.de/aufsatz/20000245.htm".
8Ein derartiges Projekt wurde 1996 vorgestellt. Nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Süsswarenhersteller e.V. wurde diese Methode allerdings - zumindest zum damaligen Zeitpunkt - nicht in der Produktion eingesetzt, "http://www.dge.de/Pages/navigation/fach_infos/nuv0896.htm". Anzumerken bleibt hier, dass die Aussagen solcher industrieller Interessensverbände gerade im Lichte der BSE-Krise sehr kritisch beleuchtet werden sollten - auch hier wurde lange Zeit und ganz offenbar fälschlich davon ausgegangen, dass in Deutschland kein Tiermehl verfüttert würde - bis es zu spät war, vgl. "http://www.bmgesundheit.de/presse/2000/2000/106.htm".
9 "http://www.verbrauchernews.de/artikel/0000006958.html"
11Dazu
etwa :
"http://www.jurpc.de/aufsatz/20000241.htm",
"http://www.computerchannel.de/recht/internet/impressumspflicht/impressumspflicht_1.phtml",
"http://www.graefe-partner.de/ecom/iupresse.html".
14Darunter ist jene wechselbezügliche Sinneinheit an Freiheiten zu verstehen, die sich aus den grundrechtlichen Ansprüchen auf Seiten eines Äussernden (Meinungsfreiheit) und seitens eines Äusserungsempfängers (Informationsfreiheit) ergeben und durch unterschiedliche Verfassungsbestimmungen sowie die EMRK konstituiert werden. Walter Berka, Die Grundrechte, S 317, Springer Verlag (1999).
15 "http://www.heise.de/newsticker/data/klp-08.02.01-000/"
16 "http://www.eav.cc/geschichte.shtml"
17Ebendort.
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TTH, version 2.89.
On 4 Mar 2001, 10:27.
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